Gibt es auch „neoliberale“ BGE-Konzepte?

Nein! Dies ist per Definition ausgeschlossen:

Ein „bedingungsloses Grundeinkommen (BGE)“ muss die folgenden 4 Bedingungen erfüllen:

  1. die Existenz sichern und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen,

  2. einen individuellen Rechtsanspruch darstellen sowie

  3. ohne Bedürftigkeitsprüfung und

  4. ohne Zwang zu Arbeit oder anderen Gegenleistungen garantiert werden.

Wird eine dieser Bedingungen nicht erfüllt, handelt es sich nicht um ein BGE !
(Ausnahme bei der 1. Bedingung: ein partielles Grundeinkommen in der Einführungsphase).

Bei allen Konzepte, die keine Auszahlung in existenzsichernder Höhe bieten, Bedarfsgemein-schaften berücksichtigen, Bedürftigkeit prüfen oder gar Arbeitszwang fordern (wie beim FDP-Bürgergeld), handelt es sich nicht um Bedingungslose Grundeinkommen.
Solche Systeme, zu denen auch die bedarfsorientierte Grundsicherung gehört, haben einen neoliberalen Hintergrund. Leistungen, die an den Zwang zur Arbeit gekoppelt sind wie das ALG-2, sollen primär einen Druck auf Löhne ausüben.
Systeme, die unterschiedliche Leistungen an unterschiedliche Gruppen vorsehen, unterscheiden nach Bedingungen (Alter, Einkommen, Bilung o.ä.) und sind deshalb kein BGE (Ausnahme: BGE für Kinder)

Da die Umverteilungswirkung ausschließlich von der Höhe eines Grundeinkommens (und den daraus resultierenden Steuersätzen) abhängt, sagt die Art der Besteuerung nichts darüber aus, ob ein Modell „neoliberal“ ist, sondern nur die Höhe des BGE - und der daraus resultierende Steuersatz. Ein Steuersatz von unter 48% beispielsweise wäre neoliberal, da er unterhalb des bisherigen Reichensteuersatzes wäre und zu einer Steuerentlastung für Superreiche führen würde.

Auch ein Konsumsteuer-finanziertes Grundeinkommen ist nicht neoliberal, wenn es die 4 oben genannten Bedingungen erfüllt. Wo das Gegenteil behauptet wird, ist dies nachweisbar darauf zurückzuführen, dass komplexe steuerpolitische Zusammenhänge nicht verstanden werden. (Nachweis auf Anfrage)

Was ist ein emanzipatorisches Grundeinkommen?

Wo von "neoliberalen Grundeinkommen" gesprochen wird, wird oft das nicht-neoliberale Grundeinkommen als "emanzipatorisches Grundeinkommen" bezeichnet. Per Definition des Netzwerks ist aber das "Bedingungslose Grundeinkommen" immer ein emanzipatorisches Grundeinkommen. Eine Selbstverständlichkeit, da die Emanzipation des Einzelnen ja gerade Ziel und Zweck eines BGE ist. Der Begriff "emanzipatorisches BGE" ist im Wortsinn eigentlich eine Tautologie/Pleonasmus (so etwas wie ein "weißer Schimmel" oder eine "tote Leiche").

Der Begriff "Emanzipatorisches Grundeinkommen" wird von der BAG Grundeinkommen in der Linken als Bezeichnung für deren BGE-Finanzierungsmodell aus Einkommensteuern verwendet. Diese Bezeichnung ist nicht falsch (wie oben erklärt), sondern nur überflüssig.
Daraus ist jedoch nicht zu schließen, dass es nicht-emanzipatorische BGE gibt. Das sog. "Solidarische Bürgergeld" der FDP wie die Negative Einkommensteuer nach Milton Friedman sind kein BGE, sie sind nicht Existenz-sichernd oder nicht bedingungslos, oder beides.

Außerdem gibt es auf den Seiten des Netzwerks Grundeinkommen folgenden Versuch einer erweiterten Definition:

Als zusätzliche Bestimmungen (zur allg. BGE-Definition), die Grundeinkommen emanzipatorisch machen, sehen wir:

  1. Die Höhe des Grundeinkommens soll entsprechend der Entwicklung der Lebenshaltungs- und Teilhabekosten dynamisiert werden.
  2. Grundeinkommen bewirkt eine Umverteilung von Oben nach Unten, insbesondere durch die Besteuerung von Kapital, Vermögen und hohen Einkommen.
  3. Es gibt über das Grundeinkommen hinausgehend Mehrbedarfe, Sonderunterstützungen und Sonderbedarfe für bestimmte Personengruppen. Dies betrifft zum Beispiel Alleinerziehende, Schwangere, Behinderte, chronisch Kranke und Menschen mit hohen Wohnkosten.
  4. Grundeinkommen ist eingebettet in einen Ausbau, eine Qualifizierung und Demokratisierung der sozialen Sicherungssysteme.
  5. Grundeinkommen ist Aspekt des Erhalts, Ausbaus und der Demokratisierung öffentlicher Infrastrukturen.

Punkt 1 ist in der allgemeinen Definition implizit enthalten, sonst würde das BGE mit der Zeit verschwinden (da es der Definition nicht mehr entspricht.
Punkt 2 ist eine zwangsläufige Eigenschaft aller BGE-Modelle (andernfalls wäre es kein BGE).
Punkt 3 ist in dem hier beschriebenen Finanzierungsmodell (wie in allen konkreten BGE-Modellen) selbstverständlich. Keine einzige Sozialleistung darf zur BGE-Finanzierung angetastet werden. Geschieht dies dennoch, dann aus anderen Gründen, die mit dem BGE nichts zu tun haben.
Zu Punkt 4 und 5 mag sich jeder denken, was er will. Für eine Definition sind diese Phrasen viel zu schwammig. Mit einem BGE haben sie nichts zu tun.

{{CALL TO:PLUGIN:comments(Kommentar); FAILED}}

Letzte Bearbeitung: 27.02.2018, 20:55